Diensterklärung (Prohlášení o povinnosti, 2017)

Chris Ohnemus. Hudba Julia Klomfass. Zvuk Werner Jäger, Barbara Göbel. Režie Martin Zylka.

Osoby a obsazení:  vypravěčka (Anne Ratte-Polle), Anna (Ines Marie Westernströer), Matthis (Glenn Goltz), chór (Sigrid Burkholder, Guido Lambrecht, Elmira Rafizadeh, Elisa Schlott, Dagmar Sachse, Anahita Izadi).

Nastudoval SR (Saarländischer Rundfunk) v roce 2017.  Premiéra 22. 10. 2017 (SR 2, 17:04 h.).  Repríza 1. 6. 2018 (Radio SRF 1, 20:03 h.; 49 min.); 3. 9. 2018 (DLF Kultur, 00:05 h.).

Veřejná přehrávka 11. 11. 2017 (ZKM Kubus, Karlsruhe, 16:00 h.).

Pozn.: Nominováno na Deutscher Hörspielpreis der ARD, Deutscher Hörspielpreis – Beste schauspielerische Leistung, ARD Online Award.

Lit.: anonym: «Diensterklärung» von Chris Ohnemus. In web SRF /Schweizer Radio und Fernseher/, 1. 6. 2018 (článek + ukázka k poslechu). – Cit.:  «Tätige Nächstenliebe» geniesst einen hohen Stellenwert. Zumindest theoretisch. Und immer gerne dann, wenn die Kamera dabei ist, die Zeitung darüber schreibt. Aber wie arbeitet man als Ehrenamtlicher, wenn niemand hinschaut? Und was tut man, wenn die angebotene Hilfe gar nicht angenommen wird?

Sie, Ende 40, kann sich den Fernsehbildern nicht entziehen: Aufnahmen von Menschen auf gefährlich überfüllten Schlauchbooten, irgendwo im Mittelmeer, von erschöpften Menschen an Zäunen, von Menschen auf der Flucht. Also beschliesst sie zu helfen, und zwar nicht nur mit Sach- und Geldspenden, sondern sie spendet ein besonders kostbares Gut: Zeit.

Zeit, die sie sonst mit Familie und Freunden verbracht hat, mit Musikhören und Erholung von der Arbeit. Immer öfter betreut sie, wie so viele andere, stattdessen Flüchtlinge. Doch ihr Dienst an der Gemeinschaft fordert einen hohen Tribut.

Ein scharfer, dennoch sehr menschlicher Blick auf unsere Wirklichkeit zeichnet dieses neue Hörspiel von Chris Ohnemus aus. Ihre Wahrnehmungen hat sie künstlerisch verdichtet, dadurch bereichert sie das zu oft nur in schwarz-weiss gehaltene Bild von Flüchtlingen und Helfern um notwendige, lebendige und manchmal unbequeme Grautöne.

Lit.: anonym:  Hörspiel im Wettbewerb. DIENSTERKLÄRUNG  von Chris Ohnemus. In web ARD Home, b. d. (článek + ukázka k poslechu). – Cit.:  Sie, Ende 40, kann sich den Fernsehbildern nicht entziehen: Aufnahmen von Menschen auf gefährlich überfüllten Schlauchbooten, irgendwo im Mittelmeer, von erschöpften Menschen an Zäunen, von Menschen auf der Flucht. Also beschließt sie zu helfen, und zwar nicht nur mit Sach- und Geldspenden, sondern sie spendet ein besonders kostbares Gut: Zeit. Zeit, die sie sonst mit Familie und Freunden verbracht hat, mit Musikhören und Erholung von der Arbeit. Immer öfter betreut sie – wie so viele andere – stattdessen jetzt Flüchtlinge. Doch ihr Dienst an der Gemeinschaft fordert einen hohen Tribut. Ein scharfer, dennoch sehr menschlicher Blick auf unsere Wirklichkeit zeichnet auch dieses neue Hörspiel von Chris Ohnemus aus. Ihre Wahrnehmungen hat sie künstlerisch verdichtet, dadurch bereichert sie das zu oft nur in schwarz-weiß gehaltene Bild von Flüchtlingen und Helfern um notwendige, lebendige und manchmal unbequeme Grautöne. (…)

  • Öffentliche Vorführung: Samstag, 11. November, 16 Uhr, ZKM_Kubus, in Karlsruhe
  • Nach der anschließenden Jurydiskussion findet das Frageforum statt
  • Diskussion und Frageforum können Sie auch im Videolivestream verfolgen

Die Autorin

Chris Ohnemus (1964), Studium der Germanistik, Theaterwissenschaft und Philosophie. Lebt als Autorin in Berlin. Sie schreibt Drehbücher, Übersetzungen, Hörspiele und Theaterstücke. Für den SR schrieb sie „Sicher ist sicher“ (2006), „Wer’s glaubt, wird selig“ (2009, mit RB, zweiter Platz beim ARD Online-Award), „Rette sich, wer kann“ (2011, mit RB), „Nicht genug“ (2014, mit RB, Robert Geisendörfer-Preis 2015) und „Was uns trennt“ (2016).

Lit.: anonym:  Diensterklärung. In web Chris Ohnemus, b.d. (článek). – Cit.:  Der Chor:  „Und viele von uns, die waren schlussendlich beschämt und empört. Und wurden nervös.“ -  Ich-Erzählerin: „Und zunehmend unruhig beim Anblick der Helfer. Denn die schienen klar und entschieden, genau wie der Zug dieser Menschen, zu sein.“

Es war im Sommer 2015, als meine Tochter kurz vor dem Eintritt in die Schule die längsten Sommerferien ihres Lebens hatte. Wir verbrachten mehrere Wochen bei meiner Mutter im Schwarzwald und wäre politische Sommerpause wie immer gewesen, ich hätte mich sicher im Ländle erholt. Aber es gab keine Flaute. Die Flüchtlingskrise, die sich seit Monaten verschärft hatte, hatte Europa endgültig erreicht. Ein endloser Strom von geflüchteten Menschen zog schließlich nordwärts und die Medien hielten uns alle in Atem.Als ich endlich wieder in Berlin war, musste ich helfen, irgend etwas tun für diese Menschen, die jetzt bei uns waren. Ich packte einen Karton mit Kleiderspenden, wurde Lesepatin für geflüchtete Kinder, schloss mich einer Gruppe an, die mit Frauen in einer Gemeinschaftsunterkunft zu handarbeiten begann und gab einem Syrer Deutschunterricht.

Während dieser Monate lernte ich andere Helferinnen und Helfer kennen, die alle taten, was sie konnten. Und so oft sie es konnten. Es waren Freiberufler, Künstler und Künstlerinnen, Mütter erwachsener Kinder, Unternehmerinnen, Arbeitslose. Leute aus allen Milieus.

Ich befragte mich selbst, warum ich das tat. Ich fing an auch die anderen Helferinnen und Helfer danach zu befragen: Warum engagieren wir uns, warum verschenken wir unsere Zeit? Und warum genießen wir – und das ist offensichtlich – den Umgang mit diesen Menschen, denen wir helfen? Bekommen wir vielleicht auch etwas zurück? Etwas, was wir in unserem Land, in unserem Leben im Wohlstand, seit langem vermisst haben?

Lit.: anonym: Hörspiel um ehrenamtliche FlüchtlingshelferinDiensterklärung. In web Deutschlandfunkkultur.de, 3. 9. 2018 (článek). – Cit.: Sie kann sich den Bildern nicht mehr entziehen: Menschen in überfüllten Schlauchbooten, in Zeltlagern, auf der Flucht. Sie will helfen und spendet Zeit, die sie sonst mit Familie, Freunden und Erholung verbracht hat. Doch ihr Einsatz fordert einen hohen Tribut. Die Autorin verwebt eigene Erfahrungen mit den Berichten anderer Helfer und bereichert das oft nur in schwarz-weiß gehaltene Bild von Geflüchteten und Helfern um notwendige Grautöne. (…)

Chris Ohnemus, geboren 1964 in Lahr, lebt in Berlin. Sie ist Autorin für Theater, Film und Hörspiel, außerdem Übersetzerin. Hörspiele u.a.: „Mein Liebling bist du. Ein Schreckensfetzen“ (DLR/SR 1997, Hörspiel des Monats), „Ein Zeichen von Großzügigkeit“ (SR/BR/WDR 2013), „Nicht genug“ (RB/SR 2014, Robert Geisendörfer-Preis 2015), „Was uns trennt“ (SR 2016).

Lit.: Schachtsiek, Norbert /Freitag/MK/: Chris Ohnemus: Diensterklärung. Eine Selbstbetrachtung für mehrere Stimmen. Flüchtlingshelfersyndrom (SR 2 Kulturradio). In web Medienkorrespondenz.de, 3. 11. 2017 (článek). – Cit.: SR 2 Kulturradio • So 22.10.17 • 17.04 bis 17.54 Uhr.

Pogrome rechtsradikaler Gruppen und auch sogenannter Normalbürger, die eine mental undifferenzierte Fremdenfeindlichkeit und Phobie vereint, schockieren seit Jahren die liberale und ‘weltoffene’ Gesellschaft. Seltener nimmt die Öffentlichkeit Nachrichten über die Hilfsbereitschaft von einzelnen Personen und sozialen Gruppen wahr, die Flüchtlingen und Asylanten helfen und im besten Fall deren Integration fördern. Das ist der soziale Hintergrund, den das Hörspiel „Diensterklärung“ auf das Flüchtlingshelfersyndrom fokussiert.

Im Mittelpunkt des Stimmenhörspiels, das Dialoge und Chorpartien integriert, steht die Ich-Erzählerin, eine namenlose 47-jährige berufstätige Frau, verheiratet und Mutter einer Tochter. Die Frau zieht aus den im Fernsehen gezeigten Bildern über das Flüchtlingselend eine ihr Leben verändernde Konsequenz. Denn sie kann sich dem, was sie da im Fernsehen sieht, nicht entziehen: „Biblisch anmutende Bilder [...]. Die Frau mit dem Kopftuch und um sie herum sie ängstlich umklammernde hungrige Kinder. Einwanderungsgruppen, erschöpfte [...] Männer mit Bärten um durstige Lippen, das Trauma des Krieges, die Spuren der Hölle in den Gesichtern.“ Der Chor der Helfer kommentiert: „Jahrhundertgeschichte im Daily-Format.“

Die Ich-Erzählerin spürt eine „Last“ der Mitverantwortung und zugleich den „Ehrgeiz“ zu helfen. Sie opfert jede freie Stunde ihrer Mission: Sie hilft den Flüchtlingen mit vielen Diensten, sie kocht für sie, sie macht Botengänge zu den Ämtern, sie gibt Sprachunterricht und sie versucht auch emotionale Beziehungen zu den Menschen aufzubauen. Sie möchte mit ihrem sozialen Engagement und ihrer Empathie die Schuld ihrer Familiengeschichte abtragen: „Meine Vorfahren waren selber Soldaten und Mörder, Zerbombte und Flüchtlinge [...]. Die Traumata unserer eigenen Kriege. Jetzt können wir etwas darüber erfahren.“

Die Frau zahlt einen hohen Preis für ihre „Diensterklärung“: Sie lässt die Wohnung verwahrlosen, vernachlässigt ihre pubertierende Tochter, entfremdet sich von ihrem Ehemann und sie erleidet eine neuronal bedingte Krankheit. In der Auszeit reflektiert sie ihr Engagement, das vom Ehemann und ihrer Freundin als „naiv, romantisch, eine Flucht“ kritisiert wird. Sie selber artikuliert ihre Enttäuschung über das Fehlverhalten und auch die Kriminalität einzelner Flüchtlinge und verhehlt nicht ihre Resignation: „Ich war enttäuscht, von mir und den anderen, ernüchtert und traurig, wie nach einem Rausch.“ Am Schluss des Hörspiels (Untertitel: „Eine Selbstbetrachtung für mehrere Stimmen“) benennt die Frau die Crux des Helfersyndroms: „Wie wäre es, nicht immer nur helfend, sondern auch nehmend und fordernd zu sein?“

Chris Ohnemus, Jahrgang 1964, hat in ihrem Text einem ebenso aktuellen wie brisanten Themenkomplex ein nachdenkenswertes Detail dargestellt. Dramaturgisch wenig überzeugt dabei der aus vier Helfern bestehende Chor, der teilweise überflüssige Kommentare evoziert. Im Übrigen weiß nur der Leser des Manuskripts dieses Hörspiels, dass eine Studentin, eine Arzthelferin, eine Migrantin und ein „Ossi“ den Chor bilden. Regisseur Martin Zylka, der für den Saarländischen Rundfunk (SR) bereits einige Hörspiele der Autorin realisiert hat, ist bei der 50-minütigen Produktion „Diensterklärung“ unter dem Strich eine gute Arbeit zu attestieren und das gilt auch für das Sprecher-Ensemble mit Anne Ratte-Polle als Ich-Erzählerin in der Hauptrolle.

Lit.: anonym: „Diensterklärung“ von Chris Ohnemus. In web HST Dienstklärung, b. d. (článek + video diskuse). – Cit.: 5. Nov. 2017 21:01 Uhr.

Helfende Hände

Sie füllen mit Geflüchteten Behördenformulare aus, sind bei der Wohnungssuche dabei und unterstützen sie beim Deutschlernen. Ein Porträt über Ehrenamtliche in der Flüchtlingshilfe

Am Anfang waren es bloß Bilder und Zahlen von Menschen, die im Mittelmeer ertrinken. Bilder und Zahlen von unzähligen Flüchtenden, die sich auf den Weg aus ihren kriegszerstörten und armutsgeplagten Ländern gemacht haben. Die vor Gewalt, Elend und Tod geflohen sind. Mit kaum mehr als ihren Kleidern am Körper. Angetrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben in Europa. Am Anfang war alles sehr abstrakt.

Dann sind aus den Bildern und Zahlen Menschen mit Gesichtern und Namen geworden. Menschen, die eine Straße weiter in einer Turnhalle oder einer ehemaligen Schule leben. Menschen die Schutz suchen und Hilfe brauchen, um anzukommen. Doch es sind zu viele, als dass der Staat ihnen helfen könnte. Die Behörden sind überfordert, alles stockt, alles droht im Chaos zu versinken. Und auf einmal sind sie da, die unzähligen helfenden Hände aus der Bevölkerung.

Chris Ohnemus hat mit „Diensterklärung“ all jenen, die geholfen haben und immer noch helfen, ein Hörspiel gewidmet. Eine lyrische und emotionale Selbstbefragung. Es ist ihre persönliche Sicht auf diese Zeit und handelt von einer Ende 40-jährigen Frau, der das Zugucken irgendwann nicht mehr reicht, ihrer Familie, ihren Freunden und ihren Mitstreitern. Die Frau und andere helfen beim Deutschlernen und bei Behördengängen. Geben Kleider aus und Suppe. Kochen, malen und lachen mit den Geflüchteten. Trösten und bauen auf. Neben dem eigenen Beruf, neben einer eigenen Familie und allen Anfeindungen zum Trotz.

Doch solch aufopfernde Hilfe geht nicht spurlos an ihnen vorbei. Freundschaften zerbrechen, Mann und Tochter fühlen sich vernachlässigt und der eigene Körper spielt irgendwann nicht mehr mit. Und ist ihre Hilfe wirklich so uneigennützig? Muss da nicht irgendwas kompensiert werden? Fragen sie sich selbst, fragen andere. Aber wäre das so schlimm und ist das wirklich so wichtig?

An der Seite der Hauptfigur und vieler anderer, erlebt man Kapitel für Kapitel, wie sie zum Entschluss kommen, zu helfen, welcher Gegenwind ihnen entgegenschlägt, welche Enttäuschungen und Frustrationen sie verkraften müssen, wie sie lernen ein gesundes Mittelmaß bei der Unterstützung für sich selbst zu finden, welches Glück es bedeutet, wenn aus Fremden Freunde werden, was sie aufhören lässt und was am Weitermachen hält. „Diensterklärung“ ist ein feinfühliges und ehrliches Porträt über zivilgesellschaftliches Engagement in unserer Zeit.

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