Träume sind Maulwürfe. Günter Eich und die Inventur der alten Bundesrepublik (Sny jsou krtci. Günter Eich a inventura staré republiky, 2007)

Feature s ukázkami z her Güntera Eicha. Redakce Siegrid Wesener. Režie Berber Jarchow.

Osoby a obsazení: Autor (Helmut Böttiger), citátor 1 (Udo Baumgartner), citátor 2 (Uwe Müller), citátor 3 (Friedhelm Ptok).

Nastudoval Deutschlandradio v roce 2007. Premiéra 4. 2. 2007 (Deutschlandradio Kultur, 53 min.) v cyklu Reihe Werkstatt. K poslechu zde.

Pozn.: Zum einen ist er der bedeutendste Vertreter einer Gattung, die in den fünfziger Jahren den höchsten Grad ihrer Wirksamkeit erreichte und bis heute ein wichtiger Indikator für Zeitstimmungen und ihre Veränderungen ist: dem Hörspiel. Günter Eichs „Träume“ waren bei ihrer Ursendung 1951 ein Skandalon: Mit dem Aufruf „Wacht auf, denn eure Träume sind schlecht“ zielten sie mitten in die Verdrängung des beginnenden Wirtschaftswunders, zielten auf die Wunde des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs, als man schon längst überall zu einer pragmatischen Tagesordnung übergegangen war.

Zum anderen ist Günter Eich mit einem folgenreichen Einschnitt der deutschsprachigen Lyrik verbunden: Sein Gedicht „Inventur“ stand 1949 am Beginn einer Strömung, die bald den Namen „Kahlschlagliteratur“ bekam und zum Gründungsmythos der legendären „Gruppe 47″ wurde.

Dabei hatte Eich bereits eine verwickelte Vorgeschichte: er hatte schon in der Weimarer Republik als Naturlyriker begonnen, und während der Zeit des Nationalsozialismus überlebte er als Radiomitarbeiter und Hörspielschreiber, fand eine zwiespältige Existenzform zwischen Anpassung und innerer Emigration.

Die Verve seiner Gesellschaftskritik in der Adenauerzeit, mit dem Höhepunkt seiner fulminanten Büchnerpreisrede 1959, ist nicht zuletzt von diesen biographischen Erfahrungen her erklärbar. Während der politisierten 60er Jahre, als die Studenten sich noch auf seine unbestechlichen Analysen und pointierten Formulierungen beriefen, entwickelte Eich jedoch eine neue Form von Literatur: die Prosastücke, die er „Maulwürfe“ nannte, bewegten sich in einer Welt voller Aberwitz und Absurdität, und bis zu seinem Tod 1972 wurden sie immer knapper und grotesker. Eich war seiner Zeit immer ein bisschen voraus.

Lit.: Lehmkuhl, Tobias:  Radikaler Skeptiker. In web Deutschlandfunk, únor 2007 (článek). – Cit.: Es scheint, als habe Günter Eich keine Nachfolger gefunden. Die karge Grazie seiner Gedichte, die schlackenlose Knappheit und scharfe Komik seiner Prosa, sie finden so leicht keinen Vergleich. Darum besteht die Gefahr, dass Eich vergessen wird, weil heutige Autoren kaum Bezüge zu ihm schaffen. Das spricht aber nicht gegen die Qualität seines Werks.

„Sünde: Die Versuchung des Fleisches ist mir nicht fremd. Ich gestehe, dass ich ihr fast täglich erliege (außer Freitag, wo wir Fisch haben), der Schlackwurst, dem kleinen Frühstücksgulasch.“

In seinen späten Jahren fand Günter Eich auch den Mut zum Kalauer, wie dieser kleine Ausschnitt aus seinem Prosaband „Maulwürfe“ beweist. Eine der kleinen Sünden, von denen Eich hier spricht, verweist dabei auf seine, auch sprachliche Herkunft und damit zurück auf die Anfänge seines Schriftstellerlebens. Schlackwurst, heißt es in der von Johann Georg Krünitz 1773 begonnenen „Oeconomischen Encyclopädie“, Schlackwurst ist

„eine aus dem Schlackdarme bereitete Wurst, besonders in einigen Niederdeutschen Gegenden“.“

„Lebus, wo er 1907 geboren wurde, liegt am Südrand des Oderbruchs, genau in der Mitte zwischen Frankfurt und Küstrin, in einer Landschaft ohne Pathos, jedoch nicht ohne Geheimnis, Bruchlandschaft.“

Wer sich hier, nicht ohne Pathos, an die Herkunft des Dichters erinnert, ans Land der Schlackwurst, ist Heinz Schwitzke. Schwitzke war lange Zeit Hörspielleiter beim Norddeutschen Rundfunk in Hamburg. In dieser Position hat er wahrscheinlich den entscheidendsten Anteil an Eichs Schriftsteller-Laufbahn in der Bundesrepublik gehabt. Schwitzke produzierte fast alle Hörspiele Eichs und sicherte dem Autor damit ein komfortables Einkommen, eines, das Eich reichlich Muße ließ, Gedichte und Prosa zu schreiben, und vor allem nachzudenken. Um dieses Privileg war Eich nicht immer froh.

Schwitzke, dieser einflussreichste Hörspielmacher, hatte schon vor 1945 eine wichtige Position beim Rundfunk inne. Sein Verhältnis zu den Machthabern im Dritten Reich darf darum für mehr als bedenklich gelten. Und auch sein Freund Eich, der in den 50er Jahren so überaus erfolgreiche Autor, fand durch Hörspiele und seine Mitarbeit an der wöchentlichen Sendung „Der Königswusterhauser Bote“ schon vor 1945 ein gutes Auskommen. Jörg Drews, Literaturwissenschaftler in Bielefeld und Herausgeber der soeben erschienenen „Sämtlichen Gedichte“ Eichs über dessen Verhältnis zum NS-Regime:

„Er war jetzt nicht glattweg Nazi, aber er hat, wie wir wissen, am 1. Mai 1933 einen Antrag zur Aufnahme in die Partei gestellt.“

Man mag es als müßig ansehen, die braune Vergangenheit literarischer und literaturpolitischer Größen der frühen Bundesrepublik unter die Lupe zu nehmen, ja man kann es auch wirklich satt haben. Wollte man im Falle Eichs aber dessen Verquickung mit der Macht im Dritten Reich ausblenden, so würde man zugleich einen wichtigen Faktor seiner schriftstellerischen Entwicklung unterschlagen. Im Grunde, kann man sagen, ist Eichs Werk ohne diese politische und menschliche Katastrophe überhaupt nicht zu verstehen, sie ist, zusammen mit der Schlackwurst, der eigentliche Urgrund seines Schreibens.

„Eich ist nie eine Straße gegangen, die zuvor theoretisch oder ideologisch betoniert war. Eher wäre er umgekehrt. Ich glaube, dass er durch diese Eigenschaft der bedeutendste Zeuge seiner und unserer Generation wurde, von deren Erfahrungen er ja keine ausgelassen hat. Sein Leben und Schreiben stand unter der Bedingung, ganz ohne Ideologie auszukommen.“

Oberflächlich betrachtet klingt die Aussage Heinz Schwitzkes, Günter Eich habe keine der Erfahrungen seiner Generation ausgelassen, zynisch. Zu den Erfahrungen dieser Generation gehörte eben auch, und damit widerspricht sich Schwitzke, die ideologische Verblendung, zu diesen Erfahrungen gehörte auch das KZ. Aber Recht hat er, wenn er sagt, dass Eich – nicht immer, aber am Ende eben doch – gegen Ideologien immun gewesen sei und schließlich geradezu ein Kämpfer gegen alles Ideologische geworden wäre. Nur hat Eich erst die Erfahrungen machen müssen, hat erfahren müssen, wohin Ideologien führen können, und was es bedeutet, sich mit ihnen ins Einvernehmen zu setzen.

Ein spätes Gedicht, „Weltansichten“, spricht von den Unzulänglichkeiten aller ideologischen Erklärungsmodelle. Zugleich aber, und tröstlich, spricht es auch davon, dass ein Sprechen weiterhin möglich ist.

„Man müsste Gulliver fragen:
Wie lebt man ohne Verzweiflung?
Er ist bei den Zwergen gewesen
Und bei den Riesen.
Er findet die Welt möglich.
Eine Frage der Statur?
Oder des Unterdrucks?
Man müsste ihn fragen,
ihn oder Dornröschen.“

„Dass er selbst geschwiegen hat übers Dritte Reich, ich würde sagen aus Beschämung, nicht aus aktivem Lügenwollen, aus Beschämung darüber.“

Jörg Drews, der Eich-Spezialist, stellt die faktische Verquickung Eichs mit dem Dritten Reich vor allem deswegen heraus, weil Eich, wie viele andere, erst langsam begriff, was zwischen ’33 und ’45 vor sich gegangen ist. Auch damit teilt er eine Erfahrung, und es ist keine unerhebliche. Dieses Begreifen geschah nicht mit einem Mal. Man kann das in seiner Lyrik nachvollziehen.

„Es scheint mir aus dem Rückblick so zu sein, dass er erstaunlich wenig sich entwickelt hat, von 1930 rum bis nach dem Zweiten Weltkrieg, eigentlich hat er eine geringe Entwicklung durchgemacht. Man kann das auch an Entstehungsdaten von Gedichten zeigen, da sind welche, die sind 1945, und da sind welche, die sind 1938 entstanden, und die ähneln sich vollkommen.“

Zwar war Eich 1945 schon 38 Jahre alt, doch muss man seine Gedichte bis dahin, ja im Grunde bis 1950 als seine frühe Produktion betrachten. Nicht nur 1938, auch 1948 noch ist er in seiner Lyrik einer expressionistischen Idyllik verhaftet, wie sie schon damals überkommener kaum sein konnte. Diese verzögerte Entwicklung ist seiner Haltung den Nazis gegenüber geschuldet, seinem, wenn man so sagen darf, stillstehenden Mitläufertum.

„Das Schlimme ist dabei – weil er den Kopf eingezogen hat – das hat ihn in seiner Entwicklung gelähmt. Wenn man die Verse liest, die in Zusammenhang mit dem ‚Königswusterhauser Boten‘ stehen, dann kann man nur sagen, man bricht zusammen ob der absoluten Harmlosigkeit und Idyllik dieser Sachen, also das war mir ein Schock, wie läppisch das Zeug ist.“

Auch Eichs viel gelesene Nachkriegsgedichte, „Inventur“ und „Latrine“, so wirkungsvoll sie in ihrer plakativen Art auf die Herausgeber von Schullesebüchern seither gewirkt haben mögen, muss man sagen, gehören in diese Kategorie. Eichs Beschämung, von der bereits die Rede war, bezieht sich auf diese frühe Produktion. Nicht zuletzt auch der berühmte letzte Satz aus seinem Hörspiel „Träume“: „Seid unbequem, seid Sand, nicht das Öl im Getriebe der Welt.“

„Leider Gottes finde ich diese vier Zeilen auch nicht so besonders. Dieses Bild aus dem Autoleben, das ist natürlich, ich weiß nicht, das find ich entsetzlich eigentlich: Sand im Getriebe und Öl, das klingt alles so nach Esso und Shell.“

„Da muss ihm selbst schlecht geworden sein, 10, 20 Jahre später muss er gedacht haben: Das ist ja schrecklich.“

Erst einmal aber kam die unmittelbare Nachkriegszeit, der große Erfolg mit den „Träumen“ 1951, dann der Hörspielpreis der Kriegsblinden im selben Jahr und 1959 dann der Büchnerpreis. Hier äußert Eich den seltsamen Satz,

„Dass es darauf ankommt, das alles Geschriebene, sich der Theologie nähert.“

Und am Ende dann bezeichnet er sich als ein „Gegner der Macht aus Instinkt“, ein Satz, bei dem es einigen im Saal eigentlich kalt den Rücken herunter gelaufen sein muss.

„Meine Damen und Herren, indem ich mich zu einer Dichterschaft bekenne, die Gegnerschaft ist, bekenne ich mich zu Georg Büchner, zumindest vermute ich, dass eine solche Literatur seinem Geiste nicht ganz widerspricht. Ich möchte aber an dieses Bekenntnis noch einige Bundesgenossen einschließen, von denen ich annehme, dass auch Büchner, der den ‚Woyzeck‘ und den ‚Lenz‘ geschrieben hat, ihnen gewogen ist. Sie gehören alle der Ritterschaft von der traurigen Gestalt an, sind ohnmächtig und Gegner der Macht aus Instinkt.“

Eich war immer schlecht darin, sich und sein Schreiben zu erklären. Ein Gegner der Macht zu sein, diesen Instinkt erwarb er erst in den letzten 10, 15 Jahren seines Lebens, erst zur Zeit des Büchnerpreises entwickelte sich sein Werk erkennbar in diese Richtung. Erst hier hat sich seine Häutung ganz vollzogen, hat er alles abgestreift, womit ihn vorher seine Zeit behaftet hatte. Nun, in den 60er Jahren, findet Eich ganz zu sich, wird ein unzeitgemäßer Dichter in dem Sinne, dass seine Sätze und Verse zeitlos werden, sich frei machen von Moden und in der Luft liegenden Stimmungen.

„Ich schreibe Gedichte, um mich in der Wirklichkeit zu orientieren. Ich betrachte sie als trigonometrische Punkte, oder als Bojen, die in einer unbekannten Fläche den Kurs markieren. Erst durch das Schreiben erlangen die Dinge Wirklichkeit, sie sind nicht meine Voraussetzung, sondern mein Ziel. Ich muss sie erst herstellen.“

Auch diese Selbstaussage Eichs mag zunächst zweifelhaft klingen, mag klingen nach: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Man muss dabei aber bedenken, dass Eich lange Zeit nicht frei war von den Dingen der Welt, und dass zu seinem Erkenntnisprozess nach dem Zweiten Weltkrieg gehörte, alles in Frage zu stellen, nichts mehr stillschweigend als Voraussetzung anzunehmen.

„‚“Alles nur im Entferntesten Ideologieverdächtige stieß er ab und nahm es gar nicht erst an. Schon darum muss die Deutung derjenigen, die Eich als einen reumütigen Heimkehrer an die Brust ihrer Erkenntnis sehen, falsch sein.““

Heinz Schwitzke hat ganz recht: Günter Eich ließ sich nicht als Geläuterter von den Gutmenschen vereinnahmen. Seit der Zweifel in ihm geweckt war, blieb er skeptisch, ja er radikalisierte sich in seiner Skepsis. Dabei entstanden wirklich radikale, gänzlich neuartige Gedichte. Jörg Drews trifft es, wenn er in seinem Nachwort zu den „Sämtlichen Gedichten“ von einer „strengen, kargen Grazie“ spricht, die Eichs Verse nun erreichen. Ein Beispiel dafür ist etwa „Alter Dezember“, wahrscheinlich eins seiner letzten Gedichte.

„Ein
unwiederbringlicher Schneefall,
vorgeschichtliche Gräber.“

„Danach muss noch anderes passiert sein, etwa die Entwicklung einer endogenen Depression, das Gefühl, vieles versäumt zu haben. Und diese selbstverspottende Bitterkeit zusammen mit so einer Art Kollaps seines Weltvertrauens, bei aber gleichzeitigen literarischen Erfolgs, das hat einen etwas abgründigeren und radikaleren Ton in seine Produktion reingebracht.“

Ob nun eine psychische Erkrankung hinzukam, ein Alkoholproblem möglicherweise, Eichs Grundvertrauen in die Welt war auf jeden Fall erschüttert, und der Blick zurück aufs eigene Leben schien ihn mit Unbehagen zu erfüllen. Es eventuell verspielt zu haben, davon spricht sein Gedicht „Nach dem Ende der Biographie“.

„Vielleicht
hätte sich Trapezunt gelohnt.
Die schwarze Nordküste
Mit Vokabeln der Volksbücher.
Er weiß es nicht,
wusste es nicht,
wird es nicht wissen.“

Ein Großteil der Literatur, die bald nach 1945 entstand, nicht nur Eichs damaliges Werk, ist heute beinahe ungenießbar. Ihr ist ein Jammerton gemein, der aus dem Munde von Deutschen, geradezu unerträglich wirkt: Kaum hat man aufgehört, die Welt leiden zu machen, leidet man an der Welt, der vermeintlichen Sinnlosigkeit und Leere. Ganz schnell hat sich damals in Deutschland eine Art Westentaschen-Existentialismus breitgemacht. Doch die Larmoyanz bezog sich nicht darauf, dass man 50 Millionen Menschen umgebracht hat, sondern dass man nicht mehr wusste, was man jetzt tun sollte. Viele klagten lauthals über die Atombombe, auch weil sie meinten, die sei ja viel schlimmer als alle KZs. Ein paar weinten darüber, dass sie nicht genügend Kartoffeln auf dem Teller hatten. Zurück zur Natur hieß darum häufig das Motto, und Eich kam dem mit seiner angekränkelten Idyllik entgegen. Und die gleichnishafte Art seiner Hörspiele entsprach damals einem bestimmten Bedürfnis des Publikums. Seltsamerweise ist es aber so, dass Eich dann, als er mit der Zeit hätte „klarer“ werden können, als das Sprechen über die jüngere Vergangenheit kein Tabu mehr war, unklarer wurde. Mehr und mehr vergrub er sich in seinen radikalen Skeptizismus und in seine abgrundtiefe Enttäuschung. Und das tat seiner Literatur nur gut.

„Ich bin, wenn sie wollen, auf alles wütend. Auf alles, was von der Schöpfung herkommt, bin ich wütend.“

Zu dieser Zeit entstand auch sein, bezogen auf die Nazi-Zeit, unverstelltetes Gedicht. Es heißt „Alle Augenblicke“; und die drei Augenblicke, von denen es berichtet, sind parallel zu den Augenblicken zu verstehen, die H.G. Adler in Theresienstadt, Auschwitz und Buchenwald zugebracht hat.

„In diesem Augenblick
Spielte ich Schach in Wilmersdorf,
trank französischen Kognak und fand ihn seifig.
In diesem Augenblick
Begann ich Schallplatten zu sammeln,
kam die Dienstreise nach Lemberg gelegen.
In diesem Augenblick
Dachte ich an Salzstreuer der Berliner Manufaktur
Und hatte Ärger mit dem Portier.“

Zu Lebzeiten hat Eich dieses Gedicht nicht drucken lassen. Seine letzte bedeutende Publikation ist der Prosaband „Maulwürfe“, und es ist wohl seine bedeutendste Publikation überhaupt geworden. Damals rief sie sogar einen veritablen Literaturstreit hervor. Heute, angesichts dessen, dass kaum noch jemand Eich liest, fragt man sich allerdings, warum man es überhaupt tun sollte.

„Wegen der 30, 40 Gedichte aus den letzten Jahren, wegen der ‚Maulwürfe’, die find ich so was von komisch und so was von abgründig, dass einem die Haare zu Berge stehen, aber mehr als die Hälfte der Lyrik ist unerträglich.“

Hören wir einen dieser Maulwürfe, eines der 53 kurzen Prosastücke, die 1968 erstmalig erschienen und zu denen auch der eingangs zitierte Ausschnitt aus dem Stück „Sünde“ gehört.

„Ende Juni, Anfang Juli. Ein Sommertag, die Imkerei ist im Gange, Birnen wachsen für die Gläubigen, ein Tag an dem sich die Schlupfwespenfragen stellt. Die Frage, die verdüstert noch den Weizen, und die Utopien fahren schräg vorbei. Die Eichenblätter sind gerundet und die Espenblätter sind spitz, man schluchzt vor Bewunderung. Noch aus dem Mutterkorn kann man Träume herstellen, ein Spirituskocher genügt dafür. Wir gehen aus und lobpreisen und vertrauen unserem mild würzenden Selcher. Die Katzenfrage zwischen Lehnsessel und Fliedergebüsch, der schreckliche Sommertag, viel schöner noch als Salomonis Seide.“

„Man liest ihn offenbar nur sehr wenig. Und die Frage ist natürlich, hat das Gründe und hat das gute oder schlechte Gründe?“

Wenn man sich nun gemüht hat, die Zusammenhänge zu verstehen, in denen Eichs Werk steht, dann bleibt die Frage: Was sagt uns sein Werk heute noch? Es scheint, als habe Eich keine Nachfolger gefunden, die karge Grazie seiner Gedichte, die schlackenlose Knappheit und scharfe Komik seiner Prosa, sie finden so leicht keinen Vergleich. Darum besteht die Gefahr, dass Eich vergessen wird, weil heutige Autoren kaum Bezüge zu ihm schaffen. Das spricht aber nicht gegen die Qualität seines Werks, seines Spätwerks vor allem. Es könnte in einer Zeit der geölten Schreibe durchaus als Vorbild dienen. Doch muss es das nicht, es steht auch für sich, ganz allein.

„Er habe ganz zum Schluss in seiner Kindersprache heiter dahergeschwätzt, märkisch und berlinisch auch. Er lag dabei in einem bequemen Sessel und hatte vor sich den runden Tisch, der im großräumigen niedern Korridor stand. Sein Gehirn litt an Durchblutungsstörungen, so dass er vom Zusammenzählen und Abziehen nichts mehr wusste und langsam die Orientierung im gewohnten Haus verlor.“

Eich starb am 20. Dezember 1972 in Salzburg, fern dem Land der Schlackwurst.

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