Der Lindberghflug (Let přes oceán, 1987)
Bertolt Brecht. Rozhlasová hra o prvním Lindberghově přeletu z Ameriky do Evropy v roce 1927. Hudba Kurt Weill. Hraje Kölner Rundfunkorchester.
Účinkují Wolfgang Schmidt, Herbert Feckler, Lorenz Minth, Christoph Scheeben.
Nastudoval WDR v roce 1987 (39 min., stereo).
Pozn.: Brecht za války hru přejmenoval na Ozeanflug – kvůli Lindberghovým sympatiím k nacistům.
Pozn. 2: Der Lindberghflug behandelt die erste Überquerung des Atlantiks per Flugzeug 1927 durch Charles Lindbergh. Das Stück war von Anfang an für das neue Medium Rundfunk gedacht – eine konzertante Aufführung bezeichnete Brecht ausdrücklich als falsch. Die erste Umsetzung dieser „radiophonischen Kantate“ fand im Mai 1929 auf den Festspielen der deutschen Kammermusik in Baden-Baden statt, deren Programm der „Originalmusik für den Rundfunk“ gewidmet war. Brecht, der das Stück für Kurt Weill schrieb, beschreibt darin das Ereignis aus mehreren verschiedenen Blickwinkeln. Neben dem Flieger kommen der Nebel, der Schneesturm und der Schlaf, mit denen er kämpft, sowie der amerikanische und der europäische Kontinent zur Sprache. Es geht ihm darin nicht um die Heroisierung der Tat eines Einzelnen, sondern um die kollektive technische Leistung, mit der der Mensch die Naturgewalten meistert.
Pozn. 3: Im Mai 1927 überflog der amerikanische Flieger Charles Lindbergh als erster den Atlantik. Dieses Ereignis nahm Brecht zur Grundlage für sein erstes Hörspiel. Das Stück mit der Musik von Hindemith und Weill wurde zu den Baden-Badener Musikfestwochen am 27.7.1929 uraufgeführt und am 18.3.1930 in der Berliner Funkstunde gesendet. Brecht versuchte hier, die im Zusammenhang mit seiner Radiotheorie entwickelte Idee eines Lehrstücks umzusetzen. Der Hörer selbst sollte beim Hören einen Part in dem Stück übernehmen. Brecht forderte, den Distributionsapparat Rundfunk in einen Kommunikationsapparat umzuwandeln: der Hörer wird aktiver Teilnehmer.
Bertolt Brecht setzte sich in der sogenannten Pionierzeit des deutschen Hörspiels in Theorie und Praxis intensiv mit dem Rundfunk, eine jener „Erfindungen, die nicht bestellt sind“, auseinander. Impulse für das Neue Hörspiel gehen von den Reflexionen seiner „Radiotheorie“, insbesondere über den Rundfunk als möglichen Kommunikationsapparat, aus. Über sein Hörspiel „Ozeanflug“, „nicht die Beschreibung eines Atlantikflugs, zugleich eine bisher nicht erprobte Verwendungsart des Rundfunks, bei weitem nicht die wichtigste“, heißt es in Brechts „Radiotheorie“ u.a. weiter: „Der ‚Ozeanflug‘ hat keinen Wert, wenn man sich nicht daran schult. Er besitzt keinen Kunstwert, der eine Aufführung rechtfertigt, die diese Schulung nicht bezweckt. Er ist ein Lehrgegenstand und zerfällt in zwei Teile. Der eine Teil (die Gesänge der Elemente, die Chöre, die Wasser- und Motorengeräusche und so weiter) hat die Aufgabe, die Übung zu ermöglichen, das heißt einzuleiten und zu unterbrechen, was am besten durch einen Apparat geschieht. Der andere pädagogische Teil (der Fliegerpart) ist der Text für die Übung: Der Übende ist Hörer des einen Textteiles und Sprecher des anderen Teiles. Auf diese Art entsteht eine Zusammenarbeit zwischen Apparat und Übenden, wobei es mehr auf Genauigkeit als auf Ausdruck ankommt. Der Text ist mechanisch zu sprechen und zu singen, am Schluß jeder Verszeile ist abzusetzen, der angehörte Teil ist mechanisch mitzulesen.
Dem gegenwärtigen Rundfunk soll der ‚Ozeanflug‘ nicht zum Gebrauch dienen, sondern er soll ihn verändern. Die zunehmende Konzentration der mechanischen Mittel sowie die zunehmende Spezialisierung in der Ausbildung – Vorgänge, die zu beschleunigen sind – erfordern eine Art Aufstand des Hörers, seine Aktivierung und seine Wiedereinsetzung als Produzent.“ Dieses „Radiolehrstück für Knaben und Mädchen“ wie Brecht es nannte, wurde zunächst anläßlich der „Festspiele der Deutschen Kammermusik“ 1929 in Baden-Baden uraufgeführt. In einem Brief an den damaligen Intendanten des WDR Ernst Hardt schrieb Bertolt Brecht: „Lieber Herr Hardt, ich habe über die Radiosendung des Lindberghfluges etwas nachgedacht und zwar besonders über die geplante öffentliche Generalprobe. Diese könnte man zu einem Experiment verwenden. Es könnte wenigstens optisch gezeigt werden, wie eine Beteiligung des Hörers an der Radiokunst möglich wäre. (Diese Beteiligung halte ich für notwendig zum Zustandekommen des ‚Kunstaktes’.) Ich schlage also folgenden kleinen Bühnenaufbau für diese Demonstration vor: vor einer großen Leinwand, auf die die beiliegenden Grundsätze über die Radioverwendung projeziert werden – diese Projektion bleibt während des ganzen Spieles stehen – sitzt auf der einen Seite der Bühne der Radioapparat, Sänger, Musiker, Sprecher usw., auf der anderen Seite der Bühne ist durch einen Paravent ein Zimmer angedeutet und auf einem Stuhl vor einem Tisch sitzt ein Mann in Hemdärmeln mit der Partitur und summt, spricht und singt den Lindberghpart. Dies ist der Hörer. Da ziemlich viel Sachverständige anwesend sein werden, ist es wohl nötig, auf der einen Seite die Aufschrift „der Rundfunk“ auf der anderen die Aufschrift „der Hörer“ anzubringen. Vor dem Ganzen würde ich Sie bitten, lieber Herr Hardt, über dieses Experiment und die ihm zugrundeliegende Theorie, die ich Ihnen beilege und über die wir noch sprechen können, etwas zu reden. Es ist dies eine Belastung für Sie, aber ich weiß sonst niemanden, der dies machen könnte.“
Lit.: anonym: Der Ozeanflug. In Wikipedia, b. d. (encyklopedické heslo). – Cit.: Der Ozeanflug ist ein experimentelles musikalisches Hörbild[1] aus dem Jahre 1929 mit einem Text von Bertolt Brecht.
Medienexperiment
Ebenso wie Der Kampf um den Himmel von Arno Schirokauer und Malmgreen von Erich Schäfer geht es in dem Stück um ein „Spannungsverhältnis zwischen Individuum, technischem Fortschritt und politischer beziehungsweise historischer Situation“, wobei das sogenannte Hörbild zeitweise zum experimentellen Bühnenstück neigt.[2] In diesem Zusammenhang schreibt Brecht: „Das Lehrstück lehrt dadurch, daß es gespielt, nicht dadurch, daß es gesehen wird. Prinzipiell ist für das Lehrstück kein Zuschauer nötig, jedoch kann es natürlich verwertet werden.“[3] In Brechts Radiotheorie steht: „Der Ozeanflug hat keinen Wert, wenn man sich nicht daran schult. Er besitzt keinen Kunstwert, der eine Aufführung rechtfertigt, die diese Schulung nicht bezweckt. Er ist ein Lehrgegenstand und zerfällt in zwei Teile. Der eine Teil (die Gesänge der Elemente, die Chöre, die Wasser- und Motorengeräusche und so weiter) hat die Aufgabe, die Übung zu ermöglichen, das heißt einzuleiten und zu unterbrechen, was am besten durch einen Apparat geschieht. Der andere pädagogische Teil (der Fliegerpart) ist der Text für die Übung: Der Übende ist Hörer des einen Textteiles und Sprecher des anderen Teiles. Auf diese Art entsteht eine Zusammenarbeit zwischen Apparat und Übenden, wobei es mehr auf Genauigkeit als auf Ausdruck ankommt. Der Text ist mechanisch zu sprechen und zu singen, am Schluß jeder Verszeile ist abzusetzen, der angehörte Teil ist mechanisch mitzulesen“.[4]
Lehrstücktheorie
Brechts Lehrstücken liegt der Gedanke zugrunde, dass der Spielende durch bestimmte Handlungen beeinflussbar ist. Brecht sagte: „Der Staat kann die asozialen Triebe der Menschen am besten dadurch verbessern, dass er sie, die von der Furcht und der Unkenntnis kommen, in einer möglichst vollendeten und dem Einzelnen selbständig beinah unerreichbaren Form von jedem erzwingt“. Laut Brecht dienen seine Lehrstücke also der politischen Erziehung, vermutlich im Sinne des Kommunismus. Als wichtigstes Stilmittel benutzt Brecht den Verfremdungseffekt. Dadurch wird vermieden, dass sich der Rezipient mit den Figuren des Spiels identifiziert. Stattdessen soll er eine kritische Distanz und ein eigenes Urteil entwickeln.[5] Der Ozeanflug war Brechts erstes Lehrstück. Danach folgten:
Das Badener Lehrstück vom Einverständnis (1929).
Der Ja-Sager und der Nein-Sager (1929/30).
Die Maßnahme (1929/30).
Die Ausnahme und die Regel (1930–1938).
Die Horatier und die Kuriatier (1934/35).
Motivation für die Änderung des Titels
Der Ozeanflug ist auch unter den früheren Titeln Der Lindberghflug und Der Flug der Lindberghs bekannt. Nach dem Krieg, anlässlich einer Anfrage durch den Südwestdeutschen Rundfunkdienst, gab Brecht eine neue Bedingung für die Aufführung des Werkes bekannt, und zwar, dass der Titel in Der Ozeanflug geändert werde und dass sämtliche Nennungen des Namens Lindbergh aus dem Text entfernt werden. In seinem Brief vom 3. Januar 1950 an den Rundfunk schrieb Brecht: „Wenn Sie den Lindberghflug in einem historischen Überblick bringen wollen, muß ich Sie bitten, der Sendung einen Prolog voranzustellen und einige kleine Änderungen im Text selber vorzunehmen. Lindbergh hat bekanntlich zu den Nazis enge Beziehungen unterhalten; sein damaliger enthusiastischer Bericht über die Unbesieglichkeit der Nazi-Luftwaffe hat in einer Reihe von Ländern lähmend gewirkt. Auch hat L. in den USA als Faschist eine dunkle Rolle gespielt.[6] In meinem Hörspiel muß daher der Titel in ‚Der Ozeanflug‘ umgeändert werden, man muß den Prolog sprechen und den Namen Lindbergh ausmerzen“.[7] Vor der Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten 1940 wurde Lindbergh vorgeworfen, er habe als republikanischer Gegenkandidat eine von faschistischem Gedankengut geprägte Kampagne gegen den Demokraten Franklin D. Roosevelt inszeniert.[8][9]
Brecht war der Meinung, Charles Lindbergh sei Sympathisant des Nationalsozialismus gewesen und hätte den „Hitler-Schlächtern“ sogar das „Fliegen mit tödlichen Bomben“, so Brecht im neu geschriebenen Prolog,[7] gezeigt. Im Text heißt es deswegen an keiner Stelle mehr Lindbergh, sondern stattdessen beispielsweise „der Flieger“. Die Darstellung des Fliegers „Mein Name ist Charles Lindbergh“ wurde in „Mein Name tut nichts zur Sache“ geändert.
Interpretation
In der ursprünglichen Textfassung für den Lindberghflug kann sich das Publikum noch mit dem populären Atlantikflieger identifizieren. Durch die Umbenennung des Titels und die Anonymisierung des Piloten wird dieser Effekt vermieden. Der Ozeanflug macht aus der Heldentat eines Einzelnen die Leistungen eines Teams und verschafft den handelnden Personen ein Gemeinschaftserlebnis, das in eine neue Gesellschaftsform münden soll. Anstelle des Helden werden das Flugzeug und die Naturgewalten personifiziert, die gegen den tollkühnen Piloten ankämpfen, sodass eine verbale Auseinandersetzung zwischen dem Wetter, dem Piloten, seiner Maschine und dem Abflugs- und Ankunftskontinent entsteht. Brecht wendet in seinem neuen Text einen Verfremdungseffekt auf den Piloten an, da er diesen die Vergänglichkeit einsehen lässt, die die Erinnerung an sein Unterfangen hat, seine Motivation jedoch nicht darunter leidet. „Brecht vermeinte mit dem Ozeanflug ein praktisches Beispiel seiner Forderungen nach der Verbesserung des Rundfunks von einem Distributions- in einen Kommunikationsapparat abgeliefert zu haben. Doch die Feedbackschleife seiner inszenierten Kommunikation ist genauso festgelegt, wie sie wenig literarisch ihren Platz auch in der kapitalistischen Nicht-Kommunikation hat“.[10]
Zeitgenössische Inszenierungen
Der Ozeanflug wird als Versuch betrachtet, ein Werk mit Gebrauchswert zu schreiben, das eine pädagogische Wirkung hat. Brecht wollte ein neues Publikum heranbilden und arbeitete in dieser Zeit mit Laiengruppen und Freizeitchören. Er war davon überzeugt, dass sich unverbildete Laien besser für das Spielen seiner Rollen eignen würden.[11]
1998 hat Robert Wilson am Berliner Ensemble den Ozeanflug zusammen mit zwei Texten von Heiner Müller und Fjodor Dostojewski inszeniert. Der Sinn dieser szenischen Trilogie lautet: „Die menschliche Zukunftshoffnung, beflügelt vom technischen Fortschritt, hat nicht weit getragen, sondern ist nach katastrophaler Selbstzerstörung gescheitert auf einem wüsten Stern“. In einer Kritik heißt es, dass der Zusammenprall zwischen dem phantastischen Bildertheater des Robert Wilson und der Pädagogik des Bertolt Brecht die Vorlage zersplittern lässt. Einzelne Teile seien nur noch in Umrissen sichtbar, andere ganz eliminiert, wie die zentrale Szene der Ideologie.[12] In dieser Inszenierung hatte Bernhard Minetti seine letzte Rolle.[13]
2003 zeigte die Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart eine Studioinszenierung. Junge Frauen entwickeln gemeinsam mit den Zuschauern den Plan, über den Atlantik zu fliegen und beweisen dabei Leichtigkeit, indem sie auf alles verzichten, was nicht lebensnotwendig ist. „Im Gespräch mit dem eisernen Motor erweist sich der Motor als Freund, die harten Flieger können kurz vor dem Ziel für einen Moment Gefühle und sich als Menschen zeigen, Menschen, die Liebe brauchen und unter der Einsamkeit leiden“.[14]
2007 inszenierte Chris Kondek in Berlin das an den Ozeanflug angelehnte Stück Hier ist der Apparat. Die Darsteller reisen vom Radio über das Fernsehen bis hin zu Videospielen in eine vermeintlich bessere Welt, die Medienpropheten ihnen versprochen haben. Sie begleiten den ersten weltweiten Mediensuperstar, Charles Lindbergh, gesehen mit den Augen des ersten deutschen Radiotheoretikers, Bertolt Brecht.[15]
Eine 2010 in Greiz inszenierte Fassung des Stücks thematisiert Technikgläubigkeit und Technikwahn. Gleich zu Beginn der Aufführung stürzt das Flugzeug ab. Der Astronaut Ulf Merbold verlas den Epilog des Stücks.[16]
2011 wurde der Ozeanflug in Dresden in einer durch die Nacht fahrenden Straßenbahn gespielt. [17] In dieser Inszenierung geht es um das Besiegen von Allem, was sich einem in den Weg stellt. Auch das eigene Ich muss besiegt werden, für den Fortschritt. Die letzten Worte des Fliegers sind: „Bitte tragt mich in einen dunklen Schuppen, dass keiner meine natürliche Schwäche sehe“.
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